In diesem Blogbeitrag stellen wir die Gerste vor (lateinischer Name Hordeum vulgare). Sie gehörte einst zu den Grundnahrungsmitteln in der Schweiz, auch weil sie (wie der Roggen) in höheren Lagen angebaut werden konnte. Sie stammt, wie die Weizenartigen aus der Region die Fruchtbarer Halbmond genannt wird im Nahen Osten. Die Kulturformen stammen von der Wildgerste ab, welche wie alle Getreidearten zu den Süssgräsern gehört. In der Schweiz geht der Gerstenanbau mind. 7000 Jahre zurück! Das historische Lexikon Liechtensteins erwähnt die Gerste ab der Bronzezeit (2200 – 800 vor Christus), ab dem Mittelalter gehörte sie lange zu den bedeutenden Getreidearten.
Die Gerstenpflanze
Vom Wuchs her gleicht die Gerste den anderen Ährengetreiden. Sie hat jedoch die längsten Grannen unter diesen. Grannen sind die fadenartigen Anhängsel, sie können bis doppelt so lang wie die Ähre werden (siehe Foto). Während es beim Weizen begrannte und unbegrannte Sorten gibt, gibt es keine Gersten ohne Grannen. Auch dies hat sie mit dem Roggen gemein. Die Grannen übernehmen eine wichtige Funktion beim Stoffwechsel der Gerstenpflanze, was ihr eine sehr kurze Vegetationszeit ermöglicht. Im Bergackerbau ist dies eine wichtige Eigenschaft, denn dadurch schafft es die Gerste sogar als Sommergetreide (meistens), vor dem ersten Schnee abzureifen. Auch Trockenheit erträgt die Gerste dank der Grannen im Gegensatz zu anderen Getreidearten recht gut. Es gibt 2- und 6-zeilige Gerstensorten, sowie freidreschende (nackte) und bespelzte.
Die schwarze Linie markiert eine Granne (Rollgerste, Foto Reinhard Gessl)
Obwohl die Gerste früher zu den Grundnahrungsmitteln gehörte, musste sie wie viele Getreidearten dem Weizen weichen und hat wohl nur deshalb im Anbau überlebt, da sie sich als Futterpflanze eignet. In der Samenbank gibt es 750 Muster von Schweizer Landsorten, welche analog zum Mais bis in die 1940er Jahren gesammelt wurden. Auch eine Gerstenzüchtung bestand, diese wurde nach dem zweiten Weltkrieg jedoch eingestellt. Inzwischen werden die Speise- und Braugerste in der Schweiz und Liechtenstein wieder als Nischenprodukte angebaut. In der Schweiz ist dies vor allem aufgrund der Bierproduktion der Fall.
Rollgerste (Foto Reinhard Gessl)
Die Braugerste
Um Bier zu brauen braucht es Malz und dieses wird oft aus Gerste hergestellt. Die Nachfrage nach Regionalität führte dazu, dass Schweizer Braugerste wieder gefragt wurde. Gleichzeitig fördert die Genossenschaft Gran Alpin im Kanton Graubünden den Bergackerbau und so fanden Braugerste und Bergackerbau zusammen. Diese Bestrebungen führten zum ersten (kleinen) Züchtungsprogramm für Gerste seit dem zweiten Weltkrieg, woraus die Sorte Alpetta entstand, eine Braugerstensorte, die auf Bergackerbau ausgerichtet ist. Ob sie sich bewährt, wird wohl noch getestet. Erst seit 2021 kann die regionale Braugerste auch regional gemälzt werden, dann eröffnete eine Mälzerei in der Schweiz ihre Tore (wobei zumindest die Brauerei Locher auch eine eigene Mälzerei hat).
Braugerste (Foto Reinhard Gessl)
Das Mälzen ist ein mehrstufiger Prozess. In einem ersten Schritt wird die Gerste in Wasser eingeweicht und zum keimen gebracht. Dafür muss sie erst eine Weile getrocknet werden, das Gerstenkorn braucht eine mehrwöchige Ruhezeit bevor sie die Keimfähigkeit erlangt. Die Keimung findet unter kontrollierten klimatischen Bedingungen statt, dabei werden Enzyme gebildet, welche das Gerstenkorn auflösen. Anschliessend werden die gekeimten Körner getrocknet und fertig ist das Malz.
Malz ist übrigens nicht nur für die Bierproduktion gefragt, es kann sehr vielseitig verwendet werden, z.B. als Backmalz, für Müesli, Riegel, «Getreidekaffee», oder die (in der Schweiz berühmte) Ovomaltine. Für Ovomaltine wird Gerstenmalz zu Schrot vermahlen und in Wasser eingeweicht (gemaischt), das Malz- bzw. Gärwasser mit den gelösten Inhaltsstoffen anschliessend konzentriert.
Gerstenanbau in Liechtenstein
Im Bionetz wurden verschiedenen Gerstensorten getestet. Im Herbst 2021 wurden vier verschiedene Wintersorten angesät und im Sommer 2022 geerntet (Anbauergebnisse Wintergersten). Für die Ernte 2023 wurde eine Braugerste im Sommeranbau getestet (Anbauergebnis Braugerste) und auch in diesem Jahr wieder angebaut.
Aus der letztjährigen Ernte ist heuer das erste Bier bereit! Es wurde im Juni am Braugerstenfest vorgestellt und konnte erstmals gekostet werden. Das erste offizielle Bier aus Liechtensteiner Bio-Braugerste wird am 23. August 2024 vom Brauhaus und den Feldfreunden ausgeschenkt, kommt auch vorbei!
Braugerste (Foto Reinhard Gessl)
Bald kommt das «Spezialbier» aus der Bionetz-Braugerste in den Handel. Rollgersten werden ab Herbst wieder erwartet.
Einen Überblick über die Verkaufsstellen der Feldfreunde-Produkte erhält ihr hier:
Rezept
Für kalte Sommertage oder den beginnenden Herbst das Rezept einer Gerstensuppe. Weiter Rezepte findet ihr hier und über den Button bei alleswurscht.
Gerstensuppe für kalte Sommertage
Zutaten
100 g Rollgerste, über Nacht eingeweicht
Knollensellerie, in klein Würfel geschnitten
Rüebli, klein geschnitten
Zwiebeln, gehackt
Knoblauch, gehackt
Lauch, klein geschnitten
Thymian
Viel Rosmarin (oder nach Geschmack)
Ca. 1.5 L Gemüsebouillon
Öl zum andünsten
Zubereitung
Die eingeweichten Rollgersten im Gemüsebouillon ca. eine Stunde köcheln lassen.
In einem separaten Topf das Öl erhitzen und die Selleriewürfel kräftig anbraten. Anschliessend Zwiebeln, Knoblauch, Rüebli, Lauch, Thymian und Rosmarin mit dünsten.
Das Gemüse zu den Rollgersten geben (erst wenn diese schon einigermassen gar sind) und ca. 30 Minuten weiter köcheln lassen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken, nach Geschmack kann auch Butter, Rahm oder geriebener Alpkäse hinzugefügt werden.
An Guata!
Wollt ihr mehr wissen?
Weiterführende Links:
Comments