Und was kochen Sie so morgen? Wie man 10 Milliarden Menschen ernährt
Während der Preis für die häufigste Tierart an die Fadenwürmer geht, eine etwa drei Millimeter lange lebendige Spaghetti, ist der Mensch das am weitesten verbreitete Säugetier. 2050 wird es 10 Milliarden Menschen auf der Welt geben. Wer auf Ratten oder Mäuse getippt hat, liegt also falsch: Wir sind noch zahlreicher und kommen auf allen Kontinenten vor. Wir leben auch länger, brauchen mehr Platz und essen mehr als Fadenwürmer und Mäuse zusammen. Damit werden wir für unseren Planeten zum Problemtier und müssen uns dringend etwas ausdenken, wie wir trotz Klimawandel mehr Nahrungsmittel produzieren können, ohne den Planeten noch mehr zu schädigen und das Klima weiter aufzuheizen.
Packen wir`s an – aber wo?
Eine Herkulesaufgabe, zu der es jedoch keine Alternative gibt. Gott sei Dank ist der Mensch jedoch auch das erfindungsreichste Tier und hat die Nahrungsmittelfrage ganz oben auf die Agenda der UN-Entwicklungsziele gesetzt. Höchste Zeit also, die Ärmel hochzukrempeln und anzupacken. Aber wo?
Zwei Wege in der Landwirtschaft
Gar nicht so einfach zu beantworten. Die Landwirtschaft kennt zwei Wege im Umgang mit dem Dilemma, sowohl den Ertrag steigern als auch schädliche Einflüsse auf die Umwelt begrenzen zu müssen. „Intensivierung“ meint dabei, dass man den begrenzten Boden im Inland möglichst effizient nutzen möchte, um die höchstmöglichen Erträge zu erzielen. Das allerdings geht auf Kosten der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt, belastet das Grundwasser mit Pestiziden, lässt resistente Keime entstehen und bläst noch mehr Treibhausgase in die Atmosphäre. Wer aber beißt mit Genuss in einen gespritzten und gewachsten Apfel aus einer vielleicht auch noch künstlich befruchteten Blüte, weil es schon lange nicht mehr genug Bienen gibt, die das für uns übernehmen? Eben.
Die Alternative zur Intensivierung der Landwirtschaft ist die „Extensive-Produktion“. Ein Beispiel ist z.B. ein standortgerechter Bio-Landbau. Solche Produkte schonen die regionale Umwelt – Super, könnte man denken! Leider nein, denn auch wenn die Qualität der Nahrungsmittel hoch ist, wird doch meist viel weniger Ertrag erzielt. Die fehlenden Nahrungsmittel müssen dann im Ausland in Massen produziert, eingekauft und zu uns transportiert werden. Die negativen Umweltwirkungen werden also nur verlagert und das Klima interessiert sich nur für die Ökobilanz des Planeten, nicht Liechtensteins.
Veränderte Essgewohnheiten als Beitrag zur Lösung
„Nicht selten beißt sich hier die Katze in den Schwanz“, sagt Urs Niggli. Der „Biopapst“ ist einer der weltweit führenden Agrarwissenschaftler und hat sein ganzes Leben der Erforschung der ökologisch verträglichen Landwirtschaft gewidmet. Dennoch oder gerade deshalb kommt er zum Schluss: „Es gibt nicht die eine Lösung.“ Er ist jedoch zuversichtlich, dass man das Nahrungsmittelproblem in den Griff bekommt, wenn man nicht mit ideologischen Scheuklappen durchs Leben geht, sondern voneinander lernt und seine Ernährungsgewohnheiten anpasst. Die extensive Landwirtschaft kann dabei nicht die Lösung sein, aber ein Teil der Lösung und ein wichtiger Beitrag.
Vom Schweineschnitzel zum Rinderbraten – und möglichst viel vegetarisch
Hier setzt der Verein „Feldfreunde“ in Liechtenstein an. Gemeinsam mit einigen Liechtensteiner Pionier-Bauern und Bäuerinnen setzt er sich für eine gute, nachhaltige Ernährung ein und vernetzt Akteure und Interessengruppen vom Landwirt bis zur Konsumentin. Wenn die Landwirtschaft an ihre Grenzen stösst, müssen nämlich auch wir einen Beitrag leisten. Wir müssen so produzieren und konsumieren, dass auf dem Weg vom Acker auf den Teller weniger Essen als „Food Waste“ verlorengeht. Auch führt kein Weg daran vorbei, weniger Fleisch zu essen, damit wir landwirtschaftliche Flächen direkt für den Menschen verwenden können und nicht für Viehfutter verschwenden müssen. Der Braten sollte also zum Sonntagsbraten werden, was nicht nur die Umwelt, sondern auch unseren Körper freut. Denn das Risiko für Herzkrankheiten, Schlaganfälle, Diabetes und auch Krebs geht deutlich zurück mit jeder Wurst, die wir nicht essen. Für eingefleischte Karnivoren hat Urs Niggli jedoch auch eine gute Nachricht: Wiederkäuer wie Kuh, Ziege und Schaf werden weiter auf unserem Speisezettel stehen können, denn sie verdauen Gras. Und wo nur Gras wächst, stört auch keine Kuh.
Fotos: Reinhard Gessl und Julian Konrad
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